Kinderrechte ins Grundgesetz!
Die Diskussion um die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ist zur Zeit eine
Art Dauerbrenner in den Medien.
Die Kanzlerin äußerte sich nun dahingehend, dass die Änderung der Verfassung für sie keine
Priorität habe. Sie setze mehr auf konkrete Hilfen und überdies sei in der Verfassung bereits der besondere
Schutz der Familie verankert, der ja die Kinder mit umfasse.
Es ist keine Frage, dass konkrete Hilfen notwendig sind, aber aus welchen Gründen schließt dies die
Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz aus?
Angesichts der sich häufenden Fälle an Kindesmisshandlungen und Kindestötungen, die bekannt geworden sind, werden
jetzt überall medienwirksam konkrete Hilfen gefordert.
Hört sich zunächst einmal gut an, aber wie sollen diese konkreten Hilfen aussehen?
Zur Zeit gibt es in den meisten Städten und Gemeinden radikale Einsparungen beim Personal
der Jugendämter. Außenstellen werden aus Kostengründen geschlossen und im besten Fall durch
eine wöchentliche Sprechstunde ersetzt.
Wie kommen Kinder und Jugendliche an "konkrete Hilfe", wenn sie keine Möglichkeit haben
sich in Notsituationen direkt an ein Jugendamt vor Ort zu wenden? Wenn sie erst 20 oder gar 40 km
fahren müssen oder eben warten müssen, bis in ein paar Tagen wieder "Sprechstunde" ist? Und
wenden sie sich an das Jugendamt, wenn sie die SachbearbeiterInnen nicht persönlich kennen? Wie sollen
sie das Vertrauen aufbauen, das unabdingbar ist, wenn sich diese Kinder und Jugendlichen, die ja in der
Regel ohnehin schon schlechte Erfahrungen mit Erwachsenen gemacht haben, öffnen sollen?
Die gleichen Schwierigkeiten stellen sich auch für die Erwachsenen, die Hilfe benötigen, weil sie mit ihrer Situation
überfordert sind. Oder für diejenigen, die nicht weg schauen wollen...
Und wie sollen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Jugendämter helfen, wenn sie immer mehr und immer
schwierigere Fälle bekommen, aber immer weniger Personal zur Verfügung steht?
Auf der Strecke bleiben die "weniger akuten" Fälle - bis sie dramatisch genug werden oder bis es
zu spät ist. Auf der Strecke bleibt vor allem die Prävention. Es fehlt dabei meistens nicht an der Motivation der
Kollegen und Kolleginnen der Jugendämter, sondern schlicht und einfach an der zur Verfügung stehenden Zeit. Wann
sollen sie denn noch in den Schulen, Jugendzentren oder womöglich an den bekannten Brennpunkten präsent sein, damit
die Kinder und Jugendlichen sie kennenlernen und sie bereits intervenieren können, bevor es zu schweren
Auffälligkeiten kommt?
Gleichzeitig zur derzeitigen Diskussion um mehr Kinderschutz werden Stellen von SchulsozialarbeiterInnen
gestrichen oder bleiben unbesetzt.
In Niedersachsen wird durch die Landesregierung gerade jetzt darüber nachgedacht die Stellen der
Schulpsychologen von derzeit 64 - wovon ohnehin nur 51 besetzt sind - auf 40 zu kürzen!
Im Moment kommt noch ein Psychologe auf 19.000 Schüler und Schülerinnen. Nach der geplanten Kürzung
würde dieses Verhältnis nur noch 1 : 30.000 betragen!
Zum Vergleich: In Skandinavien - das ja spätestens seit Pisa als Musterbeispiel gilt - kommt ein Psychologe
auf 1.000 Kinder!
(Quelle: www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2046/artid/7672985)
Als Argument wird dazu noch angeführt, dass ja einiges durch SchulsozialarbeiterInnen "abgefangen" wird!
Was sollen die Kollegen und Kolleginnen denn noch alles tun???
Ist das die "konkrete Hilfe" von der alle reden?
Bin ich zu dumm um diese "Logik" zu verstehen? Bin ich damit allein?
Und dann ist da noch der andere Punkt: Umfasst der Familienschutz den Schutz des Kindes?
Meiner Meinung nach sind das zwei verschiedene Dinge!
Der Schutz der Familie steht in Deutschland über dem Recht des Kindes. Oder wie mir eine Juristin in
einem konkreten Fall sagte: "Dem Gesetz nach hat die Familie immer Vorrang. Nach dem Wohl des Kindes
wird hier nicht gefragt. Die Herkunftsfamilie hat Priorität und das Wohl des Kindes spielt in diesem Fall nur
dann eine Rolle, wenn eine konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht."
Also hat das Kind erst ein Recht auf Hilfe, wenn es um seine Gesundheit oder sein Leben bangen muss?
Das Kind wurde in diesem Fall übrigens bis heute nicht gefragt, was es will oder wie es ihm geht...
Wo sind hier die Kinderrechte?
Sind sie wirklich in dem "besonderen Schutz der Familie" enthalten, wenn die Rechte der Herkunftsfamilie - die
in den meisten Fällen die Verursacher der Probleme des Kindes sind - über denen des Kindes stehen?
Ich frage mich, was die Verantwortlichen in der Regierung davon abhält die Kinderrechte ins Grundgesetz
aufzunehmen. Liegt es daran, dass eine Verfassungsänderung zu "aufwändig" ist.
Wetten, dass dies kein zu großer Aufwand wäre, wenn es um weitere Einschnitte in die Bürgerrechte oder
um den Einsatz der Bundeswehr gegen die eigenen BürgerInnen geht?
Aber vielleicht bin ich ja doch nur zu naiv...
Bin ich damit allein?
Hier finden Sie den Text als PDF.
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