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Freitag, 19. April 2024

Für ein kooperatives Qualitätsmanagement in allen Tageseinrichtungen für Kinder

"Wo Kinder sind, da ist ein goldenes Zeitalter" (Novalis)
Was würde Novalis heute sagen? Wo Kinder sind, da ist Armut, Unmut, Abstieg?

Unser Land ist arm an Kindern. Aber diese wenigen sind immer mehr von Armut betroffen. 2,8 Millionen waren es bereits 1997. Zusätzlich werden sie durch ihr Dasein für ihre Familien - zumindest materiell - zum Armutsrisiko. Auch Kindereinrichtungen sind im Vergleich zu anderen Bildungsstätten in vielfacher Weise immer noch arm. Arm an Geldern, Räumen, Personal, Anerkennung und legitimen Mitwirkungsformen.

Nun hätte man berechtigterweise hoffen können, dass bei rückläufiger Kinderzahl wenigstens die längst angemahnte Verringerung der Gruppenstärken, die seit 1972 für Kindergärten geplant war, verwirklicht worden wäre. Doch das Gegenteil ist der Fall. Auf der Suche nach Füll- und Zählkindern entstehen seltsame Blüten. Nach dem Jahrzehnte dauernden ideologischen Streit, dass Kleinst- und Schulkinder nur im Defizitfall, nicht aber regulär mit staatlicher Unterstützung passende Einrichtungen erhalten sollen, werden jetzt immer mehr Unterdreijährige in Kindergartengruppen "verwahrt"; Schulkinder sollen im Kindergarten "untergebracht" werden als "Füll-, Zahl- und Zählmaterial".

Kinder haben einen individuellen, eigenständigen und direkten Anspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung (KJHG). Dieser Anspruch wird nicht über den Bedarf der Eltern definiert. Bei dem Gerangel um die Nachfrage der Eltern, der Gestaltungsfreiheit der Träger, der sogenannten Fördergerechtigkeit und Marktorientierung geht der elementare Bildungsgedanke aussichtslos unter.

Fachkräfte, die sonst nicht gefragt werden, sind jetzt verwickelt in die Diskussion um "kundenorientierte" Qualitätssysteme. Mit Angst wurde in diesem Arbeitsfeld immer operiert. Die neue Angst heißt: Ihr müsst konkurrieren, denn sonst kann eure Einrichtung nicht überleben und ihr verliert euren Arbeitsplatz.

Ein Begriffsdschungel aus dem Wirtschaftsleben stiftet nach wie vor Verwirrung, weil die Begriffe nicht präzise definiert sind und die Unterschiede zum "Sozialmarkt" unterschlagen werden. Wenn pädagogische Arbeit mit Kindern an sich nicht zählt - und wie manche behaupten, nicht anders zu managen sei wie der Automarkt - dann ist der Humanitätsgedanke am Ende. Man muss daher befürchten, dass die Konturen dieses "Sozialmarktes" noch härter werden als wir es uns heute vorstellen können.

1. Im Unterschied zum Geschäftsleben ist im Kindergarten zwischen Anbieter und Kunde kein direkter Weg wie bei einem Kaufgeschäft:
Ich bestelle, bezahle und ich besitze eine Ware.

2. Bildung, Erziehung, Betreuung geschehen im öffentlichen Auftrag und sind nach dem KJHG eine kommunale Pflichtaufgabe auf der Basis geltender Bundes- und Landesgesetze.
Der Gesetzgeber selbst bietet keine direkte "Pädagogische Dienstleistung" an. Er bedient sich delegationsweise einer komplizierten Struktur. Deshalb entsteht auch kein direktes Kundenverhältnis. Der Gesetzgeber ist vielmehr Garant, Vorleister und ordnende Instanz. Er handelt darüber hinaus nach dem Subsidiaritätsprinzip.

3. Staat - Behörden - Öffentliche und private Träger sind Treuhänder und Verwalter des öffentlichen Bildungs-, Erziehungs-, Betreuungsauftrags und der Verwendung allgemeiner, finanzieller Mittel.
Als Treuhänder sind die genannten Instanzen auch Auftraggeber und Kontrolleure der Dienstleistung "Pädagogik". Sie sind letztlich Begünstigte, aber nicht direkt deren Kunden. Allerdings, der Staat trägt ein hohes Maß an Verantwortung für die Rahmenbedingungen die er vorgibt. Gibt er keine oder unzureichende Standards vor, trägt er die Hauptverantwortung für die Konsequenzen und die Art der Qualität.

4. Die gesamte Gesellschaft hat einen Vorteil, wenn die nachwachsende Generation durch gelungene Bildung, Erziehung und Betreuung zu verantwortungsbereiten und leistungsstarken Mitmenschen werden.
Begünstigte, Mitverantwortliche und Auftragserteilende sind daher in diesem Sinne auch die Gesellschaft, das Gemeinwesen und die Arbeitswelt. Dennoch sind sie nicht die unmittelbaren Kunden einer pädagogischen Dienstleistung.

5. Eltern sind Beteiligte, Betroffene, Nutznießer, Unterstützer und Partner. Ihr legitimes Interesse gilt dem Wohlergehen ihres Kindes. Als Einzel-Eltern sind sie zwar die wichtigsten Erziehungspartner der pädagogischen Fachkräfte, nicht aber unmittelbar deren Kunden.
Selbstverständlich ist es förderungswürdig, dass auch Eltern einen "Ort der Begegnung" im Kindergarten vorfinden. Eltern können jedoch - wenn sie nicht gerade Träger der Einrichtung sind - nur für sich, nicht für andere Eltern und Kinder sprechen. Hier ist die Grenze, denn auch Fachkräfte dürfen sich nicht mit den einen Eltern über die Kinder anderer Eltern austauschen oder über diese verhandeln. Und schließlich handelt es sich im Kindergarten um Gruppen- nicht um Einzelbetreuung.

6. Eltern sind auch die "Bevorteilten" gut ausgestalteter Kindergärten, weil diese sie entlasten, unterstützen, familienergänzend begleiten, und zeitweise auch ersetzen. Nutznießer sein, klingt zwar so ähnlich wie Kunde, ist aber nicht das selbe.

7. Bei der Finanzierung von Kindergärten tritt der grundsätzlich andere "Markt" besonders deutlich hervor. Nicht ein einzelner Bezahler erwartet eine Ware oder Dienstleitung sondern mindestens vier verschiedene Teilhaber bringen Gelder ein ohne selbst Kunde zu sein: Staat, Kommune, Träger und Eltern.
Kinder können (noch) kein Geld geben, sie sind zunächst einfach durch ihre Existenz die Hoffnungsträger der Gesellschaft. Das ist ihre erste direkte Gegenleistung.

8. Kinder sind Menschen - keine Ware.
Jedenfalls in unserem Kulturkreis sollte das so sein und bleiben. In den Übereinkommen der Vereinten Nationen zu den Rechten des Kindes heißt es: "Kinder sind Träger eigener Grundrechte und eigene Rechtssubjekte" im Art. 26 ist "Das Recht des Kindes auf Bildung" verbrieft. Soviel zu internationalem Recht. Auch im GTK sind die Aussagen zum Bildungsgedanken eindeutig.

Was hat dazu geführt, dass dieser Blickwinkel fast verloren gegangen scheint? In aller Kürze folgendes:
Krippen- und Hortplätze wurden nicht annähernd so ausgebaut wie Kindergartenplätze. Hier streiten sich die Politiker seit eh und je über den Wert dieser ergänzenden Einrichtungen. Der Rückgang der Kinderzahlen, die regional unterschiedliche Kapazität der Kindergartenplätze und der Ruf nach "Betreuung und Unterbringung" von Kindern aller Altersstufen auf billigstem Weg, hat die sogenannte "breite Altersmischung" hervorgebracht. Der zweite vordergründige Gedanke, über Betreuungsangebote Beruf und Familie leichter vereinbaren zu können ist zwar ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema, das allerdings umfassender (Arbeitswelt, Partnerschaft) als nur unter dem Unterbringungsaspekt zu erörtern wäre.

Würde dieser Auftrag ernst genommen, würden wir sehr schnell wissen, was Kinder in den verschiedenen Altersstufen wirklich brauchen. Die unglaubliche Debatte, ob es gut ist, wenn unter Dreijährige und über Sechsjährige in Gruppen mit über 20 Kindern im Kindergarten aufgenommen werden sollen ist entwicklungspsychologisch so absurd, dass die Wissenschaft eigentlich Kopf stehen müsste.
"Familienorientierung" als Gruppenprinzip wäre hier die Antwort. Die Förderung des einzelnen Kindes bekäme dann einen durchaus richtigen Sinn. Allerdings ist es ja so, dass für Erziehung, altersgemäße Bildung - der Mensch bildet sich und forscht vom ersten Lebenstag an - und echte Ergänzungsangebote nach offiziellen Aussagen kein oder nur wenig Geld da ist. Im Falle des Abrutschens eines Kindes in unerträgliche oder kriminelle Verhaltensweisen befindet sich plötzlich jedoch genug Geld im Staatssäckel. So kostet eine sozialpädagogische Einzelbetreuung DM 144.000 im Jahr oder DM 500 pro Tag. Keine gute Aussicht für unsere Gesellschaft, wenn Kinder in der Bildungspraxis nur dann adäquat versorgt werden, wenn sie straffällig geworden sind.

Pädagogik ist die zentrale Dienstleistung der Erzieherinnen und Fachkräfte.
Sie tragen alle innerbetrieblichen Lasten der Arbeit mit Kindern im einzelnen und in der Gruppe. An die Fachkräfte wird alles delegiert, doch kaum jemand hört auf ihre Vorschläge oder Einwände, noch sind sie selbst in der Lage sich Gehör zu verschaffen. Ungeachtet aller neuen Aufträge, die von außen an das Fachpersonal herangetragen werden, bleibt die pädagogische Arbeit mit Kindern zur "Bildung, Erziehung und Betreuung" deren wesentliche und unverzichtbare Kernaufgabe. Eine Erzieherin, die sich zu Lasten der Pädagogik zusätzliche Aufgaben von Behörden, Fachdiensten und Trägern aufbürden lässt, ohne den dazugehörigen Verfügungsrahmen zu fordern und zu bekommen, muss das Herzstück ihrer Arbeit - den Dienst am Kind - vernachlässigen. Dies kann nicht im Sinne von innovativen Reformen sein. Vielmehr muss die Rückbesinnung an unseren grundlegenden Auftrag, auch: Lobby für Kinder zu sein, verhindern, dass deren Interessen einem Finanzierungspoker zum Opfer fallen.

Personenqualität ist in der Erziehung unverzichtbar. Insofern sind pädagogische Fachkräfte selbst das wichtigste Kapital ihrer Einrichtung.
Die Forderungen nach Weiterentwicklung von Standards in der Ausbildung und einem höherwertigen Abschluss, die gesicherte Fortbildung, Funktionsstellen für Leitung und Anleitung, aber auch Beratungsnetze und Supervision sind ebenso wie eine leistungsgerechte Entlohnung unverzichtbare Qualitätskriterien. Alte Forderungen, für die es keine eindeutigen Verhandlungspartner gibt. In diesem Sinn kehrt sich die Pluralität der Anstellungsträger in einen irreparabler Nachteil für das Personal. Die von Fachkräften angemahnten inhaltlichen und organisatorischen Verbesserungen der pädagogischen Arbeit müssen anerkannt werden. Schließlich liegt die Weiterentwicklung auch im ureigensten Interesse jeder Einrichtung. Expertenwissen darf nicht weiter vernachlässigt werden, denn die Erfahrung und das Geschick in der Arbeit mit Kindergruppen haben die ErzieherInnen allen anderen Außenstehenden voraus. Auf diese Kompetenzen kommt es im Kindergarten letztlich an.

Eine notwendige und nützliche am Kindeswohl ausgerichtete "kooperierende Qualität" der Tageseinrichtungen für Kinder aufzubauen, bedeutet deshalb heute:

  • Fachlich sehr gute qualitative Leistungen zu bringen und darüber reden.
  • Bündnisse untereinander schließen, sich vernetzen, informieren und stärken.
  • Widerstand gegen kinderfeindliche Forderungen leisten, Zivilcourrage und laute Stimme üben.
  • Mit den Vorzügen der eigenen und mit den guten Seiten der anderen Einrichtungen werben.
  • Die Angebote für Kinder vor Ort bedarfsgerecht untereinander ergänzen und aufteilen, diese transparent machen und in jeder Weise kollegial unterstützen.
  • Fachpolitische Einmischung praktizieren.
  • Für gerechte Entlohnung und zuträgliche Arbeitsbedingungen einzutreten.

(gd)

 
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Adresse: http://www.erzieherin-online.de/medien/artikel/fachartikel/qm-kooperativ.php
Letzte inhaltliche Änderung: 27.12.2002

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