Sprachlosigkeit im Alltag und ihre Ursachen
Bei Bert Brecht heißt es: "Gehen nach Orten, die durch Gehen nicht erreicht werden können,
muss man sich abgewöhnen. Reden über Angelegenheiten, die durch Reden nicht entschieden werden
können, muss man sich abgewöhnen. Denken über Probleme, die durch Denken nicht gelöst werden können,
muss man sich abgewöhnen."
Für uns Menschen und unsere Ängste im sprachlichen Umgang miteinander heißt das: Reden über
Angelegenheiten, die durch Reden entschieden werden können, ist sinnvoll. Und Denken über
Probleme, die durch Denken gelöst werden können, ist notwendig. Reden wir also miteinander. Und
denken wir gemeinsam nach...
Wir Menschen reden vermeintlich sehr viel zueinander und übereinander und doch reden wir nur
sehr selten wirklich auch miteinander. Sprachlosigkeit im Alltag macht sich breit. Ehepaare sprechen
durchschnittlich nur noch 7 Minuten am Tag miteinander und bei Geschäftspartnern wird die schnelle
Kommunikation per Mail einem persönlichen Gespräch vorgezogen. Morgens sitzt man sich am
Frühstückstisch schweigend gegenüber, jeder in ein Stück Tageszeitung vertieft. Auf dem Weg zur
Arbeit sitzt man entweder alleine im Auto oder bedient sich in der U-Bahn der "Kopf-einziehen!-,
Wie-Menschen-durch-andere-durchsehen-können!- und Ja-mit-niemandem-ins-Gespräch-kommen-Strategie".
Im Büro ein kurzes Guten Morgen, private Gespräche sind nicht gern gesehen. Auf dem Nachhauseweg
das gleiche Bild wie am Morgen. Und abends zu Hause wird es auch nicht wirklich besser. Nach einem
ruhigen Abendessen, treffen sich die meisten Menschen gemeinsam vor dem Fernseher wieder. Schweigend
wird bis 22:00 Uhr fern gesehen und sich dann mit einem Gute Nacht in die Nachtruhe verabschiedet.
Bis das Spiel am nächsten Morgen von neuem beginnt.
Doch Sprachlosigkeit hat viele Ursachen. Die wichtigsten davon werden Sie im folgenden kennen
lernen. Genauso aber auch entsprechende Strategien, um der Sprachlosigkeit im Alltag wirkungsvoll
zu begegnen.
Soziale Verunsicherung
Menschen sind verunsichert!
Wir Menschen haben das Miteinander-Reden verlernt. Stattdessen schreibt man sich mal eben eine SMS
oder eine E-Mail. Wunderbare Techniken, die unser Arbeitsleben erleichtern. Jedoch auch Techniken, die
uns, was die zwischenmenschliche Kommunikation angeht, zu Steinzeit-Menschen macht. Soziale
Verunsicherung macht sich breit. Und wenn nicht jeder, dann sehr viele von uns fragen sich:
- Wie drücke ich mich im persönlichen Gespräch richtig aus?
- Viele Menschen können nicht mehr richtig flirten – wie auch?
- Wie sag ich´s meinem Kollegen?
Schließlich lernt man sich immer öfter in einem Chatroom kennen und ist enttäuscht, wenn das
Gegenüber beim persönlichen Kennenlernen nicht hält, was er (oder sie) versprochen hat. Und je
mehr Menschen in einem Home-Office arbeiten, umso mehr muss auch darauf geachtet werden, dass diese
Neuerungen nicht zum menschlichen Notstand führen.
Direkter Kontakt
Wir Menschen sind nun einmal darauf angelegt, dass wir Kontakt zu anderen Menschen haben. Und zwar
direkten Kontakt, der durch Händeschütteln oder einer Umarmung bei der Begrüßung genauso persönlich
ist, wie durch einen intensiven Blickkontakt oder das lebhafte Gespräch. Hier lässt sich nicht immer
alles kurz und bündig abhandeln. Hier ist ein (zwischen)menschlicher Umgang miteinander gefragt.
Hier muss man sich auch einmal etwas Zeit nehmen und kann nicht immer überlegen, wie schreib ich
nun möglichst kurz, was meine Meinung ist. Hier muss man seine Meinung mit Worten und einem gewissen
rhetorischen Können vertreten, wohl wissend, dass der andere auch eine Meinung hat und diese, selbst
wenn sie nicht mit unserer übereinstimmt, durchaus auch ihre Daseinsberechtigung haben kann.
Die Gesprächsfähigkeit nimmt in allen Bereichen immer weiter ab. Ob im beruflichen Umfeld oder
im privaten Bereich. Bert Brecht brachte auch zum Ausdruck, wie wichtig das Miteinander-Sprechen für
uns Menschen ist: "Wo das Gespräch verstummt, hört das Menschsein auf."
Menschen haben Stärken, wissen bloß oft nicht darum
Wenn Menschen nur wüssten, was wirklich in ihnen steckt!
- Wissen Sie, was alles in Ihnen steckt?
- Zu welchen außergewöhnlichen und positiven Taten Sie fähig sind?
- Waren Sie schon einmal in einer Situation, in der Sie wirklich etwas geschafft haben, was Sie zuvor
für unmöglich oder zumindest schwer realisierbar gehalten haben?
- Was ist passiert?
Vielleicht konnten Sie einfach nicht anders. Wie unsere Vorfahren, denen Auge in Auge mit einem
Angreifer nur Flucht oder Kampf blieben. Vielleicht fühlten Sie, als Sie sich der Situation stellten,
plötzlich eine innere Kraft, die wuchs mit jedem Schritt, den Sie auf diesem Weg gingen. Sie haben
Stärken! Stärken, die Sie ganz genau kennen, und genauso gut auch welche, die Ihnen nicht bekannt
sind. Oft hilft ein Rückblick in die eigene Kindheit und die Schlüsselmomente, der eigenen Biographie,
um die verschütt gegangenen Talente und Stärken wieder zu entdecken.
Vielleicht standen Sie schon als Kind immer im Mittelpunkt und haben die ganze Runde unterhalten.
Oder Sie waren als Jugendlicher der Sprecher Ihrer Clique, der Anführer, der die anderen von so
manchem Unsinn überzeugen konnte. Vielleicht können Sie sich selbst nicht mehr daran erinnern? Dann
fragen Sie doch einfach mal Ihre Eltern oder Freunde, die Sie bereits seit Kindertagen kennen und zu
denen Sie auch heute noch eine Beziehung haben. Sie können Ihnen sicher etwas über die Rollenverteilung
erzählen. Daraus können Sie natürlich schließen, ob Sie vielleicht nur in Vergessenheit geratene
Fähigkeiten im kommunikativen Bereich haben oder schon immer eher der waren, der wenig gesprochen,
sich jedoch immer vehement für die Gerechtigkeit in der Gruppe eingesetzt hat. All dies sind wichtige
Hinweise für Sie, wie Sie mit Gesprächssituationen umgehen können. Vergleichen Sie dieses Verhalten
doch einfach mal:
- Wie war das früher?
- Was ist heute davon übrig geblieben?
- In welche Richtung habe ich mich entwickelt und dazugelernt?
Von der Bestandsaufnahme zum Erfolg
Die meisten Menschen wollen erfolgreich sein – unabhängig davon, was der einzelne unter Erfolg
versteht.
- Wie definieren Sie Erfolg?
- Ist es ein prall gefülltes Bankkonto?
- Sind es drei Luxus-Autos in der Garage?
- Oder ist es einfach das "traute Heim – Glück allein"?
Dass Sie (mehr) Erfolg haben wollen, zeigt sich schon, weil Sie diesen Artikel lesen und sich also
weiter entwickeln wollen. Kein Mensch würde dies tun, wenn er nur faul auf dem Sofa herumliegen
möchte und ansonsten keinen Antrieb verspürt, etwas in der Welt zu bewegen. Doch, wenn Sie (noch)
erfolgreicher werden wollen, müssen Sie zunächst einmal wissen, was Sie wirklich gut können.
- Was machen Sie gerne?
- Woran hängt Ihr Herz?
- Was können Sie besser als viele andere?
Im beruflichen Bereich schafft eine Bestandsaufnahme den besten Überblick – und zwar wirklich
einmal im Detail. Schreiben Sie im ersten Schritt eine Art Lebenslauf:
- Was bedeutet für Sie Ihre jetzige Tätigkeit/Position?
- Was lieben Sie an Ihrem Job?
- Was machen Sie weniger gerne?
- Was war Ihr größter Erfolg?
- Wofür sind/waren Sie verantwortlich?
Das machen Sie bitte für Ihre letzten drei Beschäftigungen. Falls Sie weniger haben, dann eben für
weniger. Wenn Sie mehr haben, können Sie ruhig auch fünf Lebensstationen nachvollziehen. Ist eine
Entwicklung feststellbar? Geht der Trend eher nach oben oder nach unten und woran liegt das Ihrer
Meinung nach? Beschäftigen Sie sich einfach mal etwas mit Ihren Fähig- und Fertigkeiten, in fachlicher
wie auch sozialer Hinsicht. Bilden Sie sich weiter? Sind Sie überhaupt in der für Sie und Ihre Werte,
Vorstellungen und Visionen richtigen Branche, im richtigen Unternehmen, auf dem richtigen Platz tätig?
Was können Sie dazu tun, dass sich dies ändert? Ob innerhalb des Unternehmens oder durch einen
Wechsel. Wo werden Ihre besonderen Fähigkeiten gebraucht? Erst, wenn Sie wirklich wissen, was Sie
wollen und können, und dann in diesem Bereich auch wirklich bereit sind, Ihr Herzblut zu geben, werden
Sie nicht nur erfolgreich(er), Sie werden automatisch auch glücklich(er), weil Sie genau wissen, da,
wo ich bin, bin ich an der richtigen Stelle, und das, was ich tue, ist für mich das Richtige. Und
aus dieser Stärke heraus werden Sie auch ein anderes Auftreten, eine andere Form der Kommunikation
haben.
Fazit
- Die soziale Verunsicherung hemmt den Kontakt zu anderen Menschen vor allem auf der
kommunikativen Ebene.
- Die Gesprächsfähigkeit nimmt in allen Bereichen immer weiter ab.
- Im beruflichen Bereich schafft eine Bestandsaufnahme der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten
den besten Überblick.
- Wer seine Stärken kennt, wird selbstbewusster (sich seiner selbst bewusster) und dadurch
auch im Umgang mit anderen Menschen kommunikativer.
- Erst wenn Sie wissen, in welchen Bereichen Ihre Stärken liegen, werden Sie nicht nur
erfolgreich(er), Sie werden automatisch auch glücklich(er) und Ihre Kommunikation dementsprechend
qualitativ (er).
von Stéphane Etrillard, Management Institute SECS
albert.metzler@etrillard.com
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