Spielpädagogik
Spielen ist für Kinder mehr als nur ein Zeitvertreib. Es ist die elementare Form des
Lernens und ermöglicht es Kindern ihre Umwelt und ihre individuelle Entwicklung zu
begreifen. Sie entwickeln im Spiel ihre sozialen, physischen und psychischen Fähigkeiten,
ihr Selbstvertrauen und ihre Identität. Im Spiel messen Kinder ihre Kräfte und
lernen sich und andere einzuschätzen. Sie finden spielerisch ihren Platz
in der Gruppe, ihrer Umgebung, in der Gesellschaft.
Sie wollen die Welt begreifen und Wissen erwerben. Kinder lernen im Spiel "spielend"
selbst komplexe Zusammenhänge, wenn ihnen Zeit und Gelegenheit dazu gegeben wird.
Und: Je mehr Spaß das Spielen macht, umso intensiver prägt sich das Gelernte ein.
Spielen kann bei den Kindern vieles fördern:
- Soziales Verhalten
- Rücksichtnahme
- Durchsetzungsvermögen
- "Anführen" und "Unterordnen"
- Wahrnehmung
- Geschicklichkeit
- Ausdrucksfähigkeit
- Sprache
- Phantasie
- Kreativität
- Bewegung
- Gesang
- Abgrenzen und Grenzen akzeptieren
- ...
Spielen ist also eine Möglichkeit der ganzheitlichen Füörderung.
Heute ist es für viele Kinder schwierig selbst Erfahrungen zu machen. Durch veränderte
Wohnsituationen und gravierende Einschränkungen der Spielmöglichkeiten in ihrer direkten
Umgebung, sind Kinder auf Erfahrungen aus der "Konserve" - sprich aus Fernsehen, Computer
oder Büchern - angewiesen. Gerade im städtischen Umfeld haben viele Kinder meist nur
wenig Gelegenheiten für freies Spielen. Klettern auf einem Klettergerüst kann das
"Erobern" eines Baumes nicht ersetzen. Doch welche Chance haben Kinder sich und ihre
Fähigkeiten unter solchen Bedingungen einzuschätzen? Ist dies ein Grund für die
zunehmende Gewalt untereinander? Bleibt den Kindern nur diese Möglichkeit des
Kräftemessens?
Vor allem Kinder die wenig oder keine Spielräume in ihrer Wohnumgebung haben, neigen zur
Verhäuslichung (vgl. Blinkert, 2000). Ist die nähere Umgebung gefährlich, können
Spielkameraden nicht aus eigener Kraft besucht werden, sind Spielplätze fest vorgegeben und
bieten keine Chance der Mitgestaltung und Veränderung, bleibt Kindern oft nichts anderes
übrig als zu Hause zu bleiben. Dies ist eine Ursache dafür, dass viele Kinder unter
Bewegungsmangel leiden.
Kinder bauen durch Toben, Rennen, Schreien usw. Spannungen ab, bringen Freude und Wut zum Ausdruck
und befriedigen ihre Neugier im freien Spiel. Doch wo gibt es für unsere Kinder heute noch Raum
dafür? Die mangelnden Möglichkeiten der Kinder die auf sie einströmenden Reize zu
verarbeiten führen zu Streß. Immer mehr Kinder leiden unter psychosomatischen
Erkrankungen.
Viele Kinder verbringen einige Zeit des Tages in Institutionen wie Kindergärten,
Schulen, Horten und anderen Freizeiteinrichtungen. Es bleibt ihnen so einerseits weniger Zeit
für freies, nicht von Erwachsenen angeleitetes und beobachtetes Spiel. Andererseits
stellt dies die pädagogischen Fachkräfte dieser Einrichtungen vor neue Aufgaben.
Die Einrichtungen müssen den Kindern Freiräume geben, Rückzugsmöglichkeiten,
die Chance sich auszuprobieren und auch erwachsenenfreie Spielmöglichkeiten. Natürlich
muss alles im Rahmen der Aufsichtsplicht bleiben. Aber können wir uns hinter ihr
verstecken und ihr das überall viel beschworene Wohl des Kindes opfern? Vielmehr müssen wir
meiner Meinung nach eine Gratwanderung zwischen Freiheit und Aufsicht wagen.
Wir sind heute mehr denn je gefragt für ausreichende Bewegung zu sorgen und den Kindern
Sinneserfahrungen zu ermöglichen, die sie in ihrem häuslichen Umfeld vielfach nicht machen
können. Diese sind jedoch für die motorische, kognitive, soziale und psychische Entwicklung
von immenser Bedeutung.
Anna Bordeaux
anna@erzieherin-online.de
(ab)
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