Systemisch-ökologische Heilpädagogik
Ökologie der Entwicklung
Ökologie im heilpädagogischen, sozialwissenschaftlichen Sinne meint:
a) die Gesamtheit der potentiellen und rezipierten (fremdes Kulturgut
aufnehmen und übernehmen) Umweltbedingungen eines Individuums, sowie
b) die Transaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt
(Wechselwirkung Mensch und Umwelt)
Anlage-/Umwelt-Diskussion
Die Anlage (des Menschen, genetisch) und die Umwelt interagieren.
ökologische Sozialisationsforschung
Die ökologische Sozialisationstheorie beschäftigt sich mit der Frage, durch welche
Prozesse der Mensch zu einem gesellschaftlichen Subjekt wird. Dabei geht sie davon
aus, daß sich menschliche Entwicklung stets in Wechselwirkung zwischen Individuum
und Umwelt vollzieht, daß der Mensch in und mit seiner räumlichen und sozialen
Umwelt interagiert, in seiner Entwicklung von ihr beeinflußt wird und zugleich
auf sie zurückwirkt.
Konzept von Uexküll (Umgebung - Umwelt - Innenwelt):
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der Begriff der Transaktion
in der ökologischen Heilpädagogik
Haeckel:
"Es geht um die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt sowie
um eine Beschreibung von sozialisationsrelevanten Umwelten. Dabei werden nicht
nur räumliche und materielle Gegebenheiten wie die Wohnung, die Stadt, die
Landschaft klassizifiert, sondern auch soziale Verhältnisse und Aspekte
verstanden."
Dippelhofer-Stiem: "Transaktionale Modelle gehen insoweit darüber hinaus, als das sie alle Elemente einer Ganzheit - also
Kontext, Zeit und prozeßhaftes Geschehen - als untrennbar miteinander verknüpft annehmen und die Dynamik des Gesamtgeschehens
in der Zeit zum Untersuchungsgegenstand machen..."
Mehrebenenmodelle nach Bronfenbrenner und Geulen/Hurrelmann
Þ Mikrosystem: das System in dem das Individuum lebt (z.B. Familie)
Þ Mesosystem: Lebensbereich in denen das Individuum selbst
beteiligt ist (z.B. Schule)
Þ Exosystem: am Exosystem ist das Individuum nicht mehr selbst
beteiligt, aber seine Auswirkungen beeinflussen die Entwicklung des Individuums
(z.B. Arbeitsplatz der Eltern)
Þ Makrosystem: Überbau, Gesellschaftssystem (diese Ordnung bestimmt
alle Systeme mit)
Adaptationsstrategien
White:
"Unter Adaptation im weitesten Sinne wird die Fähigkeit des Organismus verstanden,
sich seiner Umwelt anzupassen und auf sie zu reagieren." Es werden drei
Adaptationsstrategien unterschieden:
Þ Defense (Abwehr)
Þ Mastery (Beherrschen)
Þ Coping (Bewältigen)
Coping-Strategien
Haupttypen des Coping-Verhaltens:
Þ Bewertungsorientiertes
Coping (bezieht sich auf den
Prozeß): - logische Analyse und geistige Vorbereitung, - kognitive
Neudefinition, - kognitives Vermeiden oder Verleugnen
Þ Problemorientiertes
Coping (versucht die Quelle von
Konflikten zu modifizieren): - Bemühungen um Informationen und Hilfe, -
Problemlösendes Handeln, - Streben nach neuen Aufgaben
Þ Emotionsorientiertes
Coping (versucht eine krisenhafte
Zuspitzung stimulierter Emotionen im Zaum zu halten): - affektive Steuerung, -
emotionales Ausleben, - resigniertes Akzeptieren.
Coping-Modell
nach Lazarus: das Bemühen des Individuums um Problemlösung, wenn
die Anforderungen, denen es sich gegenüber sieht sein Wohlbefinden beeinflussen
und seine adaptiven Potentiale herausfordern. Dabei versucht das Individuum
vorab abzuschätzen, welche Anstrengungen und Ergebnisse mit dem Bewältigen der
Situation verbunden sind. Dieser kognitive
Vorgang (appraisal) umfaßt mehrere Stufen:
Þ primary
appraisal (Einschätzung der Situation)
Þ secondary
appraisal (Einschätzung der Möglichkeiten, Alternativen)
Þ reappraisal
(die ursprüngliche Wahrnehmung wird verändert und zwar aufgrund der Ergebnisse
des bisherigen Handelns, neuer Reize oder neuer interner und externer
Bedingungen)
Ego-Processing
Haan:
Ego-Prozesse sind jene Strategien, die Menschen anwenden, um die bedeutsamen
wie die trivialen Probleme des Lebens zu meistern. Es werden drei Modi unterschieden,
die nach einer "Hierarchie der Nützlichkeit" geordnet werden.
Coping: Zweckgerichtet
auf die Wirklichkeit ("... what people prefer to do when they can")
Defensivness: rigide und verneinend
Fragmentation: stark eingeschränkte, gebrochene Realitätserfahrung
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Welches der drei adaptiven Potentiale zum Tragen kommt, ist abhängig von der Balance zwischen Assimilation
und Akkommodation.
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Grundbegriffe der ökologischen Theorien in der
Sozialwissenschaft
Die Paradigma-Entwicklung in der Heilpädagogik:
Þ das medizinische
Paradigma: die individuelle Schädigung determiniert
Þ das schulbezogene
Paradigma: die Schule (Institution) determiniert
Þ das verhaltenstheoretische
Paradigma: die Konditionen determinieren
Þ das
gesellschaftstheoretische Paradigma: die Gesellschaft determiniert
Alle diese Paradigmen können
als unzulänglich bezeichnet werden.
Das Ganzheitsprinzip
wissenschaftstheoretischer
Ansatz. Für die Pädagogik ist das Ganzheitsprinzip nichts Neues - Bildung ist
bei aller Bedeutung der Ausbildung von Teilfertigkeiten auf den Bezug auf
Lebensganzheiten, auf Sinn für den Menschen, angewiesen, wenn sie für das Handeln im Lebenszusammenhang, in der
Wirklichkeit, von Bedeutung sein soll.
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die Ökologie der menschlichen Entwicklung
entwicklungspsychologischer Ansatz. Bronfenbrenner: "... daß die
Entwicklung des Kindes nicht einfach von den gegebenen internen und externen
Faktoren bewirkt wird, sondern aus einer ganz individuellen aktiven
Auseinandersetzung mit der Umwelt hervorgeht. Das Kind eignet sich nicht einfach die Welt als eine ‘objektive’
Realität an, sondern es schafft sich seine eigene Welt." Die Entwicklung
des Kindes wird also verstanden als die "wachsende Fähigkeit, die Eigenschaften seiner Umwelt zu entdecken, zu erhalten
oder zu verändern."
Die Familie als System
Die Gesellschaft als soziales System
Lebende Wesen als soziale Systeme
biologischer Ansatz (Maturana/Varela): die Grunderkenntnis
ist die, daß der Mensch wie jedes
andere Lebewesen eine autonome Einheit
darstellt. Er ist von Natur aus darauf angelegt und fähig, sich selbst zu
organisieren, zu verwirklichen und zu spezifizieren. Den Mechanismus, der dies
bewirkt = Autopoisie.
Die Bedeutung ökologischer Theorieansätze für die
Heilpädagogik
Der Grundgedanke ist einerseits
- alle Einzeltatsachen in einer ständigen Wechselwirkung miteinander stehen
andererseits
- daß der Mensch mehr ist als die Summe seiner Teile
Der Begriff 'ökologisch' ist
als Gesamt- und Achsenbegriff zu verstehen:
Gerd Detering
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