Quasi ein Irrtum
Erfahrungen und Einschätzungen einer Projekteinrichtung im
Teilprojekt IV der nationalen Qualitätsinitiative im System der
Tageseinrichtungen für Kinder
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Quasi ein Irrtum
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Das Kinderhaus Vogtstraße in Frankfurt/Main1 ist eine
Kindertageseinrichtung, die seit 1980 in vier altersgemischten Gruppen 72 Kinder
im Alter zwischen einem und zehn Jahren betreut. Im Jahr 2000 entschloss sich das
Team unter Vermittlung der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Kinderarbeit Hessen
(LAG) zur Teilnahme an der nationalen Qualitätsinitiative im System der
Tageseinrichtungen für Kinder2 im Teilprojekt IV, Qualität im
Situationsansatz (Quasi). Träger des Kinderhauses ist der gleichnamige
Verein, die Träger- und Leitungsfunktionen werden von den Mitarbeitern
in Selbstverwaltung und Teamarbeit wahrgenommen. Die pädagogische Arbeit
orientiert am Situationsansatz und hat ihre Wurzeln in der antiautoritären
Pädagogik. Im Folgenden schildert das Team seine Erfahrungen und
Eindrücke, die es während der dreijährigen Mitarbeit in dem
Projekt sammeln konnte.
Das Projekt
Bewerbung
Durch Vermittlung der LAG bewarben wir uns Anfang 2000 als Projekteinrichtung
für das Teilprojekt IV der nationalen Qualitätsinitiative im System der
Tageseinrichtungen für Kinder. Dieses Teilprojekt mit der Bezeichnung
"Qualität im Situationsansatz (Quasi)" verfolgte unter
Federführung der Internationalen Akademie für innovative Pädagogik,
Psychologie und Ökonomie (INA) das Ziel, Qualitätskriterien und
Evaluationsinstrumente zur Profilierung des Situationsansatzes zu entwickeln.
Unter dem Eindruck der öffentlichen Diskussion über die Qualität
der Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und der zu erwartenden
Verknüpfung von Leistungsvereinbarungen und Qualitätszertifizierungen
hielten wir es für sinnvoll, an der Entwicklung von Qualitätsmerkmalen
und Evaluationsverfahren beteiligt zu sein. Mit den im Leitfaden zum Projektantrag
formulierten Leitgedanken und Grundsätzen konnten wir uns weit genug
identifizieren, um uns von unserer Teilnahme an dem Projekt eine Vertiefung und
Präzisierung unserer pädagogischen Arbeit im Dialog von Theorie und
Praxis zu erhoffen. Nach unserer Auffassung ist nur eine profilierte Pädagogik
- eine Pädagogik die ihre Inhalte und Ziele klar beschreibt - geeignet,
den gesellschaftlichen Stellenwert von qualifizierter Kinderbetreuung zu erhöhen.
Nur auf diesem Weg können bessere Rahmenbedingungen in der gesellschaftlichen
Debatte erwirkt werden.
Das Kinderhaus war bereits in Zeiten seiner Gründung in gesellschaftspolitische
Auseinandersetzungen eingebunden und wurde unter solidarischer Mithilfe anderer
kritischer Bewegungen aus dem kulturellen, sowie umwelt- und bildungspolitischen
Diskurs Ende der ´70er Jahre als Projekt gestartet. Der pädagogische
Ansatz wurzelte in der antiautoritären Pädagogik sowie in der
Antipädagogik. Im Laufe des mehr als zwanzigjährigen Bestehens hat sich
unsere pädagogische Praxis im Kontext des gesellschaftlichen Wandels
verändert und sich zunehmend am Situationsansatz orientiert. Grundlage
unserer Arbeit ist die Überzeugung, dass sich die kindliche Entwicklung
nicht nur individuell vollzieht, sondern im gesellschaftspolitischen Kontext
zu verstehen und zu unterstützen ist. In diesem Sinne sehen wir unsere
Arbeit in erster Linie als kompetente und fachlich fundierte Entwicklungsbegleitung
und -unterstützung für die Kinder, die in unsere Gesellschaft
hineinwachsen. Die pädagogischen Ziele des Situationsansatzes "Autonomie,
Solidarität und Kompetenz" bedeuten für uns auch Kritikfähigkeit
und Mut zur Zivilcourage. Ein blindes Vertrauen in den bestehenden
Gesellschaftsvertrag ist mit diesen Zielen nicht zu vereinbaren, sie erfordern
im Gegenteil auch die Entwicklung von Sensibilität und Wachsamkeit
gegenüber jedweder Machtstruktur. Daher entspricht auch die Organisationsform
unserer Einrichtung unseren Grundsätzen: in Selbstverwaltung bemühen wir
uns, die pädagogischen Ziele in hierarchiefreier und selbstbestimmter Form der
Teamarbeit zu verwirklichen.
Auf diesem Hintergrund erschien uns das Projekt Quasi dazu geeignet, unsere
Arbeit in fachlichem Kontext zu hinterfragen und weiter zu entwickeln. In den
von Quasi formulierten Grundsätzen3 wie
der Lebensweltorientierung und dem Bild vom Kind als Akteur der eigenen Entwicklung
sowie im Anspruch, Qualität im Dialog zu entwickeln, konnten wir eine Nähe
zu unseren eigenen Überzeugungen erkennen. So war unsere Bereitschaft zur
Teilnahme nicht nur an die Hoffnung geknüpft, unsere eigene Arbeit zu bereichern,
sondern wir hofften auch, die Entwicklung eines Qualitätsentwicklungsverfahrens
zu unterstützen, das sich nicht nur der dienstleistungsbezogenen
Standardisierung verpflichtet fühlt.
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Grundsätze
Die Quasi-Grundsätze beschreiben, welche Voraussetzungen die Entwicklung
von Kindern zu einer autonomen, kompetenten und solidarischen Persönlichkeit
fördern, wie die Kindertageseinrichtung ihre Arbeit als gesellschaftliche
Aufgabe begreifen und wahrnehmen sollte und welche Ansprüche an die
Professionalität der Erzieher gestellt werden. Die verschiedenen Lebenswelten
der Kinder bilden den Ausgangspunkt der pädagogischen Arbeit, die Erzieher
erkennen durch genaue Beobachtung die zentralen Themen und greifen diese in ihrer
Arbeit auf. Den Kindern wird im Hinblick auf den Tagesablauf und die Raumgestaltung
ein hohes Maß an Partizipation gewährt und sie werden in ihrer
Individualität und mit Ihren verschiedenen Voraussetzungen angenommen und
akzeptiert. Die Eltern werden als Erziehungspartner an allen wesentlichen
Entscheidungen beteiligt und die Einrichtung bemüht sich um einen ständigen
Austausch mit dem Gemeinwesen. Die Erzieher qualifizieren sich kontinuierlich
weiter und strukturieren ihre Arbeit durch eine prozesshafte Planung.
Insgesamt formulieren diese 16 Grundsätze einen hohen Anspruch an die Arbeit
in Kindertageseinrichtungen. Die Aufgabe im ersten Projektjahr bestand für
die 17 teilnehmenden Projekteinrichtungen darin, Beispiele aus ihrer Arbeit zu
benennen, die die Umsetzung der Grundsätze in der Praxis beschreiben. Dieser
Aufgabe widmeten wir uns -teilweise mit Unterstützung der Projektleitung -
in mehreren Workshops und Teamtagen. Die Grundsätze erwiesen sich als
strukturelle Hilfe in der pädagogischen Diskussion und tragen dazu bei,
den Blick auf die eigene Arbeit zu schärfen.
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Qualitätskriterien
Von der Projektleitung wurde aus allen in den Einrichtungen gesammelten
Praxisbeispielen ein erster Entwurf der Qualitätskriterien erarbeitet,
den wir mit Spannung erwarteten.
Zunächst waren wir völlig überrascht vom Umfang des vorgelegten
Materials. Aus dem zusammengetragenen Material zu den 16 Grundsätzen hatten
sich über 360 einzelne Merkmale ergeben, die eine beste Praxis des
Situationsansatzes wiedergeben sollen. Im ersten Eindruck erschlägt die
Quantität der Kriterien jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter, der die
Qualität seiner Arbeit daran reflektieren möchte. Der funktionale
Sprachgebrauch vermittelt den Eindruck, in einer unübersichtlich strukturierten
Bedienungsanleitung zu blättern. Gleichzeitig wird die Erzieherin quasi zur
Protagonistin im System der Kindertageseinrichtung (fast alle Kriterien beginnen
mit: Die Erzieherin beobachtet, analysiert, erörtert, beachtet, schafft
Bedingungen etc......), das Kind ist in kaum einer der 360 Formulierungen als
Subjekt zu erkennen, es wird vielmehr zum Objekt erzieherischen Handelns. Die
Lebenswelt der Kinder wird zwar als Ausgangspunkt des pädagogischen Handelns
weiterhin akzeptiert, mit den utopistischen Ansprüchen an die pädagogischen
Mitarbeiterinnen in Bezug auf Planung, Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit
droht jedoch eine Bürokratisierung der Pädagogik. Neben der fortlaufenden
und phasenorientierten (erkunden, entscheiden, handeln, nachdenken) Dokumentation
der pädagogischen Arbeit ist die "beste" Erzieherin mit umfangreichen
weiteren Aufgaben betraut. Sie "organisiert Diskussionen mit Experten, sie macht
Praktika im Ausland, beteiligt sich an Initiativen im Gemeinwesen, knüpft
Kontakte zu Gewerbebetrieben im Umfeld, mobilisiert ehrenamtliches Engagement,
vernetzt sich mit Kolleginnen aus anderen Einrichtungen, setzt sich mit alternativen
Finanzierungsmöglichkeiten wie Sponsoring auseinander und engagiert sich
für die Verbesserung ihrer eigenen Professionalisierungsmöglichkeiten
und Arbeitsbedingungen"4.
Gerade im letzten Punkt wird deutlich, dass zwar eine "beste Praxis"
beschrieben sein mag, der Bezug zu den Rahmenbedingungen aber als völlig
verzerrt erscheint. Angesichts von Stellenabbau, der Zunahme von
Zeitarbeitsverträgen und einer nach wie vor schlechten Kind-Erzieher-Relation
erscheint es zynisch, ein öffentliches Engagement für eine Verbesserung
der Arbeitsbedingungen nur von den Erzieherinnen einzufordern. An die Leitung
oder den Träger wird ein entsprechender Anspruch weder in den
Qualitätskriterien selbst noch in den angehängten theoretischen
Dimensionen oder den entwickelten Evaluationsinstrumenten gestellt. So bleibt
die Erzieherin mit ihren Handlungsmöglichkeiten im Focus der Bewertung,
die Einflüsse von Leitungs- und Trägerstruktur sowie die gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen werden lediglich im Leitbild und dem theoretischen Diskurs im
Anhang beleuchtet. Die postulierte konzeptionelle Einheit von Form und Inhalt
bleibt somit bruchstückhaft.
Auf diesem Hintergrund war es für uns nicht verwunderlich, dass auf der
gemeinsamen Fachtagung zum Ende des ersten Projektjahres in Berlin fast
ausschließlich Leiterinnen und die Fachberatung der Träger zum Dialog
zwischen Praxis und Theorie erschienen. In Arbeitsgruppen wurden zu einigen
Grundsätzen Praxisbeispiele präsentiert, eine Auseinandersetzung
über die teilweise sehr unterschiedlichen Interpretationen der Kriterien
wurde mit der straffen Tagesordnung jedoch weitgehend verhindert.
Inwiefern vereinzelt geäußerte Kritik oder Anregungen noch in die
Endfassung der Qualitätsmerkmale mit einfloss, blieb mangels Rückmeldung
durch die Projektleitung zumindest für uns nicht nachvollziehbar. Im
weiteren Projektverlauf verdichtete sich unser Eindruck, dass die
Qualitätsmerkmale zuallererst im Hinblick auf ihre Evaluierbarkeit
gefiltert und formuliert worden waren und die pädagogischen Inhalte in
erster Linie "instrumentabel" und objektivierbar gemacht werden sollten.
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Interne Evaluation
Mit großer Verspätung erhielten wir acht Monate nach der Tagung in
Berlin im Herbst die Instrumente zur internen Evaluation. Es blieben uns kurze
sechs Wochen Zeit, um diese zu erproben und die gesammelten Erfahrungen vor der
2. Fachtagung im November zu reflektieren.
Wie bereits bei Erhalt der Qualitätsmerkmale war der Umfang des 130 Seiten
umfassenden Materials beeindruckend, auch wenn nur Evaluationsinstrumente für
die Hälfte der 16 Grundsätze5
vorgelegt wurden. Bei den Instrumenten handelt es sich um Erfassungsbögen,
in denen die strukturierte Selbsteinschätzung im Hinblick auf die Umsetzung der
Qualitätsmerkmale in Form einer vierstufigen Skala festgehalten wird. Dabei erfolgt
die Einschätzung in einem mehrschichtigen Verfahren zunächst durch jede
Mitarbeiterin, darauf folgend durch die Gruppenteams und abschließend durch
das Gesamtteam. Als zusätzliche Instrumente wurden ein Elternfragebogen sowie
ein Leitfaden zur kollegialen, nichtteilnehmenden Beobachtung angeboten. Als
Ergebnis der Anwendung und Auswertung aller Instrumente sollte ein Qualitätsprofil
der Einrichtung erstellt werden können.
Auch wenn die Anwendbarkeit der Instrumente zur Selbsteinschätzung
zunächst sehr umständlich erschien, waren sie für uns eine Hilfe,
die interne Diskussion zu strukturieren. Es wurde erkennbar, wo im Team
Übereinstimmung vorhanden war und in welchen Fällen eine unterschiedliche
Praxis bestand. Gleichzeitig wurde jedoch die Einordnung von sehr differenzierten
Wahrnehmungen in die kurze Skala als einengend und überflüssig empfunden.
Die Diskussionen erwiesen sich dann als fruchtbar, wenn sie das formale Korsett
der Instrumente überwinden konnten.
Der Fragebogen an die Eltern erzielte nur einen spärlichen Rücklauf,
auf die Eltern wirkte die Art der Fragestellung gekünstelt und befremdlich.
Das Instrument der "nichtteilnehmenden kollegialen Beobachtung" wurde
von uns nicht angewandt, da in unseren Augen der damit zu erzielende Erkenntnisgewinn
auch durch kollegialen Dialog in einer offenen Teamkultur zu erzielen ist.
Unsere Einschätzungen wurde genauso wie vereinzelte Kritik aus anderen
Projekteinrichtungen hinsichtlich der Gestaltung der Evaluationsinstrumente auf
der 2. Fachtagung von der Projektleitung zur Kenntnis genommen. Im weiteren
Verlauf des Projektes blieb es auch in dieser Hinsicht offen, wie und ob
Anregungen aus der Praxis in die Instrumente eingeflossen sind.
Es wurde zugesagt, das Instrumentarium zur internen Evaluation für die
fehlenden acht Grundsätze zu Anfang des Jahres 2002 an die Einrichtungen
weiterzuleiten und die Instrumente zur externen Evaluation bis zum Frühjahr
vorzulegen. Die fehlenden Instrumente zur internen Evaluation wurden uns jedoch
nicht zur Verfügung gestellt und konnten dementsprechend auch nicht erprobt
werden. Zu der im Juni stattfindenden dritten Arbeitstagung erhielten wir im
Vorfeld weder eine Tagesordnung noch das vollständige Material. Lediglich
eine sehr verkürzte Fassung der externen Evaluationsinstrumente wurde uns
zehn Tage zuvor übermittelt. Die Qualitätsansprüche, die Inhalt
des gesamten Projektes waren, wurden somit in Hinsicht auf Transparenz,
Dokumentation und Dialogbereitschaft von dem projektleitenden Institut selbst
nicht mehr eingehalten.
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Externe Evaluation
Ziel der externen Evaluation ist es, die in der internen Sicht gewonnene
Einschätzung der Einrichtungsqualität mit einer externen Perspektive
in Beziehung zu setzen und gemeinsam mit den Evaluatoren weitere Schritte in
der Qualitätsentwicklung zu bestimmen. Insgesamt verfügte der Evaluator
über neun Instrumente und je nach Einrichtungsgröße über
ein Zeitbudget von zwei oder drei Tagen um sich Informationen für seine
Einschätzung zu erschließen. Er stützt sich auf eigene "nicht
teilnehmende" Beobachtungen, für die in unserem Haus 6,5 Stunden
angesetzt waren, sowie auf strukturierte Einzel- und Gruppengespräche mit
den Erziehern, der Leitung und Vertretern der Eltern und des Trägers in
insgesamt 6 Stunden. Seine Erkenntnisse gewinnt er aus der Zuordnung seiner
Beobachtungen zu mehr als zweihundert einzelnen, den Qualitätsmerkmalen
abgeleiteten Fragestellungen. Das auf diesem Hintergrund sehr knapp bemessen
erscheinende Zeitbudget lässt sich wohl nur mit ökonomischen Gesichtspunkten
erklären. Die Einbeziehung anderer, im System der Kindertageseinrichtung
mitwirkender Akteure in den Evaluationsprozess, bspw. die Kinder, die Schulen,
Fachberatungen und Beratungsstellen scheitert wohl an gleichen Sachzwängen.
Es wäre jedoch auch unter den gegebenen Voraussetzungen möglich, weitere
wichtige Indikatoren für die Qualität einer Einrichtung zu evaluieren,
die weniger funktional den Charakter einer Einrichtung offenbaren. So erfasst der
Evaluator in der sog. Allroundbeobachtung keine Eindrücke, ob und wie sich
die im Situationsansatz verfolgten Ziele "Autonomie, Solidarität und
Kompetenz" im Verhalten der Kinder widerspiegeln. In der Befragung der Eltern
werden diese weder nach der eigenen Zufriedenheit noch nach der ihrer Kinder in
der Einrichtung gefragt. Ebenso ohne Belang bleibt die Einschätzung von
Erzieherinnen und Leitungskräften in Bezug auf Betriebsklima und die Zufrieden-
oder Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz.
So entsteht der Eindruck, dass unter dem Deckmantel der Dialogbereitschaft, wie
er durch die Anwendung von Befragungen und Diskussionen wohl zum Ausdruck
gebracht werden soll, letztendlich doch mit rein objektivistischer Methode
operiert wird.
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Voraussetzungen für die Durchführung einer externen Evaluation
bestehen in der Einhaltung von Datenschutzbestimmungen, der Bereitschaft aller
Beteiligten zu Kooperation und der theoretischen und praktischen Kompetenz der
Evaluatoren. Diese Voraussetzungen werden in einer formalen Vereinbarung zwischen
Team, Träger und Institut schriftlich fixiert und geben der externen
Evaluation quasi eine vertragliche Grundlage.
Diese Vereinbarung war für uns eine entscheidende Voraussetzung für
unsere Teilnahme am letzten Projektabschnitt, da unsere Erfahrungen mit der
Projektleitung bezüglich der Missachtung von erfolgten Zusagen und der
mangelnden Transparenz in deren Arbeit nicht unbedingt vertrauensbildend waren.
Unter großem, von der Projektleitung zu verantwortendem Zeitdruck wurde
für unsere Einrichtung ein Evaluator gesucht. Es wurde uns vorgeschlagen,
das vorgesehene Auswertungsgespräch am letzten Tag der Evaluation statt wie
vereinbart im Abstand von einigen Wochen durchzuführen. Dies vorausgesetzt
hätte der Evaluationsbericht noch während der Evaluation verfasst
werden müssen. Nachdem wir auf einem zeitlichen Abstand zur eigenen
Reflektion von mindestens zwei Wochen bestanden hatten, wurde uns ein Evaluator
zugewiesen, der über keinerlei praktische Erfahrung verfügte. Die
zugesicherte Kompetenz des Evaluators, der sich nach eigenem Bekunden der
quantitativen Forschung verbunden sah, wurde aus dessen vor wenigen Monaten
eingereichter Diplomarbeit zum Thema Situationsansatz hergeleitet. So verlief
die Erprobung der externen Evaluationsinstrumente in unserer Einrichtung unter
wahrlich experimentellen Umständen. Zudem waren einige der Instrumente auf
unsere der Projektleitung seit über zwei Jahren bekannte
Organisationsstruktur nicht anwendbar, wie die jeweils getrennt geplanten
Gespräche mit dem Team, der Leitung und dem Träger. Die Eltern erlebten
ihre Befragung als gekünstelt und aufgesetzt und die Kinder akzeptierten die
"Teilnahmslosigkeit" des Evaluators nicht. Der Evaluator konnte sich
unter einer quasi theoretischen Tarnkappe derart unsichtbar machen, dass er die
als eine der wichtigsten Instrumente vorgesehene Dokumentenanalyse auch
durchzuführen in der Lage war, ohne von uns die entsprechenden Unterlagen
anzufordern. Völlig unbemerkt von allen muss es ihm gelungen sein, die
vorhandenen Film und Tondokumente sowie Protokolle, Archive und Aufzeichnungen
für sich auszuwerten. So war es für das gesamte Team und die
beteiligten Eltern nicht verwunderlich aber dennoch erschreckend, wie wenig von
der Komplexität und dem Leben in unserer Einrichtung letztendlich in dem
Evaluationsbericht erfasst wurde. Dem Evaluator war es gelungen, seine
Beobachtungen in etwas mehr als einer Seite zu erfassen. In mehr als dreißig
Varianten (wozu die über 360 Qualitätskriterien natürlich einen
unerschöpflichen Fundus bilden) erteilte er mit "man sollte" und
"man könnte" Belehrungen und Ratschläge und drückte
hierdurch "seine Wertschätzung" aus. Der eigentliche Kern der Arbeit,
nämlich die Qualität der vielschichtigen Beziehungen in der Einrichtung
wurde nicht im Ansatz berücksichtigt. Der aus Textbausteinen bestehende
Bericht wurde von uns daher nicht als Grundlage für einen weiteren
Qualitätsentwicklungsprozess akzeptiert. Ärgerlich bleibt die Tatsache,
dass ein Bericht, der nicht im Ansatz Qualitätskriterien erfüllt, wie
sie bspw. von der Deutschen Gesellschaft für Evaluation6
formuliert sind, die Qualitätskontrolle von INA, soweit vorhanden, passieren
konnte.
QUASI ein Irrtum?
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Quasi ein Irrtum
Oder doch ein Versuch, sich im Rennen der konkurrierenden
Qualitätsentwicklungsverfahren mit möglichst geringem Aufwand
kostengünstig zu platzieren? Dient das Verfahren dazu, behauptete
Qualität zu überprüfen? Ist Qualität in Kindertageseinrichtungen
auf diesem Weg tatsächlich zu entwickeln? Oder geht es perspektivisch
und letztlich, ganz dem industriellen Ursprung solcher Verfahren entsprechend,
doch um die Implementierung eines KITA-TÜV's? Erwarten die soziale Arbeit
am "Ende" quasi zigarrenrauchende graue Evaluatoren, die das Zeitbudget
verwalten ? Für die Erzieher, damit sie ihre vielfältigen Aufgaben
effizient bewältigen, und für die Familien, damit sie Privatheit und
Beruf vereinbaren können?
Wie viele andere Kolleginnen entwickeln wir die Qualität unserer Arbeit
in Supervisionen und Fortbildungen und lernen durch Dialog mit externen Fachleuten.
Wir dokumentieren den Anspruch und die Ziele unserer Arbeit durch pädagogische
und organisatorische Konzepte und reflektieren unsere Arbeit in der Vernetzung mit
anderen Trägern und Einrichtungen.
Wir sind somit, wie viele andere Einrichtungen auch, nicht angewiesen auf
Feststellungsverfahren und Zertifikate. Woran es mangelt, ist die gesellschaftliche
Anerkennung sozialer Arbeit.
Wer wie die gesamte Nationale Qualitätsinitiative die steigende Bedeutung
der Kindertagesbetreuung im gesellschaftlichen Wandel beschwört, sollte sich
daher in erster Linie für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen einsetzen,
statt die Qualitätsmaximierung nur auf dem Rücken der pädagogischen
Mitarbeiterinnen zu forcieren. Es ist zu einfach, von diesen mehr Einsatz und
Qualifizierung zu fordern, wenn gleichzeitig Ausbildungs- und Gehaltsniveau reduziert
(siehe Sozialassistenten) und Stellen gekürzt werden (siehe öffentl.
Haushalte sowie Einstellung-Stops).
Soll die Kindertageseinrichtung als erste Sozialisationsinstanz neben der Familie
wirklich dazu beitragen können, in Zeiten des "Hyperchange"7
den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern, wird es Zeit, die Ausbildung auf
Fachhochschulniveau anzuheben, die Kind-Erzieherinnen-Relation zu verbessern,
dem Fachpersonal mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung einzuräumen,
Fort- und Weiterbildung finanziell zu fördern und Familien unentgeltliche
Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen.
Dies kostet Geld. Dies zu sagen und mit Nachdruck zu fordern, führt direkt in
die gesellschaftliche Debatte, in der es um die sinnvolle Verteilung finanzieller
Ressourcen geht.
Quasi politisch.
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Anhang
Konzeptionelle Grundsätze
- Die pädagogische Arbeit geht aus von den sozialen und kulturellen
Lebenssituationen der Kinder und ihrer Familien.
- Erzieherinnen finden im kontinuierlichen Diskurs mit Kindern, Eltern und
anderen Erwachsenen heraus, was Schlüsselsituationen im Leben der
Kinder sind.
- Erzieherinnen analysieren, was Kinder können und wissen und was sie
erfahren wollen. Sie eröffnen ihnen Zugänge zu Wissen und
Erfahrungen in realen Lebenssituationen.
- Erzieherinnen unterstützen Mädchen und Jungen in ihrer
geschlechtsspezifischen Identitätsentwicklung und wenden sich gegen
stereotype Rollenzuweisungen und -übernahmen.
- Erzieherinnen unterstützen Kinder, ihre Phantasie und ihre
schöpferischen Kräfte im Spiel zu entfalten und sich die Welt
in der ihrer Entwicklung gemäßen Weise anzueignen.
- Erzieherinnen ermöglichen, dass jüngere und ältere Kinder
im gemeinsamen Tun ihre vielseitigen Erfahrungen und Kompetenzen
aufeinander beziehen und sich dadurch in ihrer Entwicklung gegenseitig
stützen können.
- Erzieherinnen unterstützen Kinder in ihrer Selbständigkeitsentwicklung,
indem sie ihnen ermöglichen, das Leben in der Kindertageseinrichtung
aktiv mit zu gestalten
- Im täglichen Zusammenleben findet eine bewusste Auseinandersetzung
mit Werten und Normen statt. Regeln werden gemeinsam mit Kindern vereinbart.
- Die Arbeit in der Kindertageseinrichtung orientiert sich an Anforderungen
und Chancen einer Gesellschaft, die durch verschiedene Kulturen geprägt
ist.
- Die Kindertageseinrichtung integriert Kinder mit Behinderungen,
unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzungen und Förderbedarf und
wendet sich gegen Ausgrenzung.
- Räume und ihre Gestaltung stimulieren das eigenaktive und kreative
Tun der Kinder in einem anregungsreichen Milieu.
- Erzieherinnen sind Lehrende und Lernende zugleich.
- Eltern und Erzieherinnen sind Partner in der Betreuung, Bildung und
Erziehung der Kinder.
- Die Kindertageseinrichtung entwickelt enge Beziehungen zum
sozial-räumlichen Umfeld.
- Die pädagogische Arbeit beruht auf Situationsanalysen und folgt einer
prozesshaften Planung. Sie wird fortlaufend dokumentiert.
- Die Kindertageseinrichtung ist eine lernende Organisation.
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Kontakt
Tom Wollweber
Kinderhaus Vogtstraße e.V.
Vogtstraße 41
60322 Frankfurt/Main
Tel (0 69) 5 97 61 89
FAX (0 69) 5 96 36 80
kinderhaus.ffm@t-online.de
http://www.kinderhaus-vogtstrasse.de
Fußnoten
1
http://www.kinderhaus-vogtstrasse.de
2
Gefördert u. a. durch das Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Hessische Sozialministerium
3
Die 16 konzeptionellen Grundsätze sind im Anhang
beigefügt und können zusammen mit den Qualitätskriterien und den
dazu gehörenden theoretischen Dimensionen als Broschüre bezogen werden
bei der Internationalen Akademie (INA) in 14195 Berlin,
Königin-Luise-Straße 24-26
4
Beispiele aus den Grundsätzen 2.2, 9.4, 14.3,
14.5, 16.2, 16.4
5
Grundsätze 1-4 und 13-16
6
http://www.degeval.de
7
Jürgen Zimmer, "Der Situationsansatz
in der Diskussion und Weiterentwicklung", (INA) April 1999
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(ab)
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